"Forschungsaufenthalt"

in den USA 1996

Der allgemeine Reisebericht

Einleitung

Mit unserem Projekt "Computergestütztes Puzzeln" haben wir, Martin Girschick und Christoph Müller, uns am Wettbewerb "Jugend forscht" des Jahres 1996 beteiligt. Auf dem Bundeswettbewerb im Juni 96 erreichten wir den zweiten Platz im Fachbereich Mathematik/Informatik und gewannen zusätzlich zum üblichen Geldpreis (2000 DM) als Sonderpreis des Bundeskanzleramtes einen Forschungsaufenthalt in den USA, von dem wir hier berichten wollen.

Ziel unserer Reise war die Georgetown University in Washington D.C., der Hauptstadt der USA. Wir verbrachten dort die Zeit vom 14.7.96 bis zum 17.8.96. Der Sonderpreis beinhaltete Flug, Unterbringung im Studentenwohnheim, die Teilnahme an einem Mathematikkurs, Verpflegungsgeld sowie die Nutzung der Universitätseinrichtungen.

 

Ankunft, Unterkunft

Die Anreise entwickelte sich zum ersten Problem: Da unser eigentlicher Direktflug nach Washington überbucht war, mußten wir einen Umweg über New York in Kauf nehmen. Dadurch kamen wir erst spät abends, mit fast fünf Stunden Verspätung in Washington an. Um diese Zeit auf dem Campus (Karte hier - Achtung 180k) die richtige Person zum Einchecken zu finden, war schwierig. Als wir dann endlich unser gemeinsames Zimmer gefunden hatten, waren wir nicht gerade davon begeistert: nur spärlich mit flackernden Neonröhren beleuchtet, durch Klimaanlage eisgekühlt und ohne Luxusgüter wie Kissen oder Decken...

Im Laufe der Zeit wurde unser Zimmer mit starker Glühbirne, Regelung der Klimaanlage und durch Ausstattung mit Lebensmitteln ganz annehmbar. Bei einem längeren Aufenthalt könnte man es sich mit rigorosen Reinigungsmitteln, weiteren Möbelstücken und Bildern sicher gemütlich machen, für fünf Wochen ging es aber auch ganz gut ohne.

 

Sicherheit

Alle Wohnheime auf dem Campus können aus Sicherheitsgründen nur durch Vorzeigen des Studentenausweises betreten werden, alle Eingänge werden tagsüber von Studenten "bewacht". Nachts ermöglichen Magnetkarten den Zugang zum abgeschlossenen Gebäude. Bei Problemen kann man sich an die universitätseigene Polizeistation wenden, die die Sicherheit des Geländes garantieren soll. Wir hatten jedoch während unseres Aufenthaltes zum Glück keine Überfälle oder Diebstähle zu beklagen!

 

Dining Hall

Direkt in unserem Wohnheim befand sich auch die "Dining Hall", für die "Mensa" vielleicht eine nicht ganz passende Übersetzung ist. Wer würde in Deutschland schon 10 DM für ein Essen in der Mensa zahlen! Trotzdem war das Essen unserer Meinung nach das Geld wert. Wir waren überrascht von der angebotenen Vielfalt, die keineswegs unseren Vorurteilen über amerikanisches "Fast-Food" entsprach. Das Buffet, bei dem man sich beliebig oft bedienen konnte, beinhaltete 2-3 verschiedene Hauptgerichte, Gemüse, eine umfangreiche Salatbar, Pizza und Pasta, eine Hamburger-Bar, frisches Obst, Kuchen, Eis, Getränke u.v.m.

Dieses Angebot nutzten wir eigentlich nur abends, denn 1 solches Essen am Tag ist schon fast ausreichend. Unser im Laden gekauftes Frühstück nahmen wir auf unserem Zimmer ein, auch um unabhängig von den Öffnungszeiten der Dining Hall zu sein. Da wir mittags meistens unterwegs waren, ernährten wir uns dann doch oft vom Fast-Food vor Ort.

 

Leavey Center

Im "Leavey Center" befindet sich ein kleiner, aber gut ausgestatteter Lebensmittelladen, in dem wir nicht nur jeden Morgen unsere Milch kauften. Als Alternative zur Dining Hall haben sich in diesem Gebäude auch einige Minifilialen von Fast-Food-Ketten wie Burger King und Pizza Hut etabliert, man kann aber auch in einem gediegenen Restaurant Platz nehmen.

Der Bookstore hat neben Büchern und Schreibwaren auch andere Dinge des täglichen Bedarfs wie Waschmittel, Filme oder Glühbirnen im Angebot. Außerdem findet sich hier die gesamte mit "Georgetown" bzw. "GU" versehene Produktpalette von Aufklebern, Tassen, T-Shirts, Rucksäcken etc. Das Angebot im "Leavey Center" wird abgerundet durch eine eigene Bank, einen Videoverleih und ein Reisebüro für Studenten. So konzentriert findet man das alles an einer deutschen Universität wohl kaum.

 

Lauinger Library

Zur Universität gehört eine große Bibliothek, für deren ausgiebige Benutzung wir jedoch nicht die Zeit fanden. Nur am Anfang hatten wir noch Zeit und Muße, uns einige Bücher auszuleihen und zu lesen. Die Lage der Bibliothek - direkt neben unserem Wohnheim - war eigentlich sehr angenehm.

Zusätzlich gibt es natürlich auch die mit 90 Millionen Objekten wohl umfangreichste Bibliothek der Welt in Washington, nämlich die Library of Congress. Leider war diese wegen Renovierungsarbeiten für uns nicht zugänglich.

 

Academic Computer Service

Das "Academic Computer Service (ACS)" bietet für Georgetown-Studenten mehrere über den Campus verteilte Computerräume. Dort sind auf PCs und Macintosh Computern Standardpakete wie z.B. eine Textverarbeitung installiert, aber auch der Zugang zum Internet und die Nutzung von Email ist dort möglich. Nachdem wir uns schon in den ersten Tagen problemlos eine Email-Adresse zugelegt hatten, nutzten wir das ACS beinahe jeden Tag zur (kostenlosen!) Kommunikation mit der "Heimat".

 

Yates Field House

Im "Yates Field House" kann man sich allen nur erdenklichen Sportarten widmen. So stehen z.B. für Leichtathletik, Tennis, Squash, Basketball, Kraft- und Fitneßtraining Geräte und Plätze zur Verfügung, ein Hallenbad ist ebenfalls vorhanden. Zu unserer Schande müssen wir gestehen, daß wir abgesehen von etwas Schwimmen und Basketball diese Möglichkeiten kaum genutzt haben.

 

Kurs

Unsere "Forschung" beschränkte sich auf die Teilnahme am Kurs "Probability and Statistics", der als fünfwöchiger Sommerkurs den Inhalt einer Semestervorlesung vermitteln soll. Das Konzept der Sommerkurse zielt auf Studenten, die einen Kurs wiederholen müssen oder Zeit im Semester einsparen wollen.

Es handelte sich um einen Kurs für "Undergraduates", vom Niveau her zwischen dem Abitur und dem deutschen Hochschulstudium anzusiedeln. Die ersten 1-2 Jahre am College der Universität beinhalten in etwa den Stoff der gymnasialen Oberstufe bei uns, die weiteren 2-3 Jahre College führen auf das Niveau unseres Vordiploms. Viele Studenten beenden dann ihre akademische Ausbildung mit dem Grad "Bachelor", nur wenige investieren 2-3 weitere Jahre zur Erlangung des Grades "Master".

Der Fachbereich Mathematik in Georgetown bietet ohnehin keine weiterführenden Kurse an, nach dem College muß man an eine andere Universität wechseln. Von der (mehr oder weniger privaten) Forschung der Hochschullehrer in Mathematik haben wir nur wenig mitbekommen. Die College-Kurse sind wohl eher mit dem Schulbetrieb in Deutschland zu vergleichen.

Inhalt unseres Kurses waren Begriffe wie Wahrscheinlichkeit, Zufallsvariable, Erwartungswert, Normal-, Binomial-, Poisson- und Exponentialverteilung sowie deren Anwendung auf Statistik. Bestimmung von Populationsparametern aus einer Stichprobe, Testen von Hypothesen, Regression und Korrelation waren unsere Themen.

Der Kurs fand von Montag bis Donnerstag jeweils am späten Nachmittag statt (je zwei Stunden). Jeden Montag wurde in einer einstündigen Klausur der Stoff der letzten Woche abgefragt, der durchaus 100-150 Seiten im Lehrbuch beinhalten konnte. Aus diesen wöchentlichen Tests ergab sich dann die Gesamtnote am Ende. Während wir anfangs durch unser Schulwissen gegenüber den anderen Teilnehmern deutlich im Vorteil waren, mußten wir gegen Ende des Kurses durchaus einige Zeit in die Verarbeitung und Übung des Stoffes investieren.

 

Leute

Wir stellten zwei von ganzen sechs Teilnehmern des Kurses. Drei Teilnehmer kamen von anderen amerikanischen Universitäten, ihre Anwesenheit und Interesse in Georgetown beschränkte sich auf diesen einen Kurs. Obwohl bei so wenigen Teilnehmern interaktiver Unterricht denkbar gewesen wäre, handelte es sich weitgehend um eine Vorlesung.

Es ist uns in den fünf Wochen nicht gelungen, mit unseren Kurskollegen näher in Kontakt zu kommen. Das Interesse aneinander reichte kaum zum Grüßen oder Verabschieden aus, was wir bedauerten. Auch außerhalb des Kurses war es etwas schwierig, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Während in den ersten Wochen durch etliche Sommerprogramme noch einiges los war, machte die Universität gegen Ende einen etwas verlassenen Eindruck. Aber da wir immer zu zweit, auch oft außerhalb des Campus, unterwegs waren, suchten wir vielleicht zu wenig den Kontakt mit anderen. Langweilig wurde uns trotzdem nicht...

 

Kosten

Der große Unterschied der amerikanischen Universitäten zu unseren deutschen Hochschulen liegt sicherlich in der Bezahlung: Allein unser Mathekurs kostete ca. 2350 DM, in einem ganzen Jahr muß man als Student mit Kosten von etwa 45.000 DM für Kurse und Unterbringung in Georgetown rechnen.

Georgetown gehört damit zu den teuren Universitäten in den USA, hat als alte, ehrwürdige Universität den notwendigen guten Ruf. Viele der Studenten dürften daher aus wohlhabenden Familien stammen, denen dann aber auch mit kleinen Klassen und guter Betreuung der entsprechende Service geboten wird. Darüber hinaus gibt es anscheinend eine Vielzahl von Voll- oder Teilstipendien, die auch weniger wohlhabenden Studenten den Zugang ermöglichen.

 

Metro, Busshuttle

Der Stadtteil Georgetown hat keine direkte Anbindung an die Metro, weil die gehobene Bevölkerungsschicht dort den Zugang zu ihrem feinen Viertel nicht zu einfach machen wollte. Für ihre Studenten hat aber die Georgetown University einen kostenlosen Buspendelservice zu zwei Metrostationen der Umgebung eingerichtet, den wir zu schätzen wußten. Notfalls kann man die Entfernungen aber auch gut zu Fuß bewältigen, selbst die Innenstadt ist nicht unerreichbar. Ansonsten bietet die recht neue Metro in Washington ein exzellent beschriftetes und sauberes Transportmittel.

 

Sehenswürdigkeiten

Washington ist eine Stadt, die an Sehenswürdigkeiten weit mehr zu bieten hat, als man in fünf Wochen bewältigen könnte. Für einen ersten Überblick über die in der Stadtmitte angehäuften Monumentalbauten können wir das überall als markantes Merkmal sichtbare "Washington Monument" empfehlen. Von dort aus sieht man in der einen Richtung das Lincoln Memorial, in der zweiten das Weiße Haus, in der dritten Richtung das Kongreßgebäude. Auch die Aussicht vom "Old Post Office Tower" lohnt sich.

Auffällig sind ebenfalls die riesigen Museen, die sich hier zum weltweit größten Museumskomplex häufen. Das "National Air and Space Museum", das "Museum of American History", das "Hirshhorn Museum" sowie das "US Holocaust Memorial Museum" waren unsere Auswahl, aber wir hätten gerne noch andere besucht.

Viele der Museen gehören zur "Smithsonian Institution", die sich die Allgemeinbildung der amerikanischen Bevölkerung in die Satzung geschrieben hat. In der Zeit unseres Aufenthaltes feierte diese Stiftung, die sich enormer finanzieller Zuwendungen von Firmen und Privatpersonen erfreut, ihr 150-jähriges Bestehen. Bei der Party auf den riesigen Rasenflächen zwischen den Museen, der "Mall", drängelten wir uns mit 250.000 Besuchern aus aller Welt um die Informations- und Aktionspavillons und genossen am Ende ein großes Feuerwerk über Washington.

Von allen Gebäuden oder Orten zu berichten, die wir uns in Washington genauer angesehen haben, würde den Rahmen hier sprengen. Auf jeden Fall haben wir von all den aus Film und Fernsehen bekannten Plätzen einen eigenen Eindruck erhalten. Washington eignet sich wie kaum eine andere Stadt, für mehrere Wochen genügend Attraktionen bereitzustellen.

 

Shopping

Einen nicht unwesentlichen Teil unserer Zeit verwendeten wir auf Einkäufe. Kleidung und Musik-CDs sind in den USA deutlich billiger als bei uns. Es empfiehlt sich daher, genügend Geld und einen großen Koffer mitzunehmen! Am besten bezahlt man wie die Amerikaner nahezu alles mit Kreditkarte, auch wenn man nicht vergessen sollte, die Ausgaben zwischendurch aufzusummieren...

Die riesigen glitzernden "Shopping Malls" mit ihren vielen kleinen Geschäften laden zum Bummeln und Geldausgeben ein. Besonders billig erhält man z.B. Jeans in den sogenannten Outlet- oder Factory-Stores, die sich in großen Einkaufszentren außerhalb der Stadt ansammeln. "Potomac-Mills", das größte Zentrum dieser Art in der Gegend, ist mit einem speziellen Zubringerbus zu erreichen. Nachdem wir beim ersten Mal dort noch nicht alle Geschäfte gesehen hatten, gingen wir eine Woche später erneut auf "Schnäppchenjagd".

 

Radtour

Auf Empfehlung eines Einheimischen fuhren wir an einem Sonntag mit geliehenen Fahrrädern (Big Wheel Bikes, 1034 33rd NW) entlang des Potomac Rivers zu den sogenannten "Great Falls", wo sich der Fluß in einer Kaskade von Wasserfällen zwischen den Felsen herabstürzt. Der Weg dorthin auf einem ehemaligen Zugpfad für den zum Fluß parallelen Kanal ist nicht besonders schwierig und nur zu empfehlen.

 

New York

Auf eigene Kosten verbrachten wir ein Wochenende in New York, um auch hier die interessantesten Sehenswürdigkeiten mitzubekommen. In rascher Folge bestaunten wir das Empire State Building, Central Park, die UNO, die Freiheitsstatue, das World Trade Center sowie Chinatown, wo wir unser Hotel hatten. Am beeindruckendsten ist wohl einfach die Häufung von enormen Wolkenkratzern, zu denen man von unten auf den Straßen nur ungläubig nach oben schaut.

Auch weil wir vielleicht inmitten der langen Touristenschlangen den eigentlichen Reiz der Stadt verpaßt haben, waren wir froh, als wir nach zwei stressigen Tagen wieder in "unserem" Washington landeten und zurück an "unsere" Universität kamen.

 

Beurteilung

Insgesamt war dieser Forschungsaufenthalt eine tolle Erfahrung für uns. Nach einigen anfänglichen Organisationsschwierigkeiten haben wir uns bald sehr wohl gefühlt, so daß uns der Abschied nach fünf schnell vergangenen Wochen schwerfiel.

Auch wenn sich unsere anfänglichen Vorstellungen vom akademischen Programm bei einem Forschungsaufenthalt mit der Teilnahme an unserem einen Kurs nicht bewahrheitet hatten, waren wir schließlich doch ganz froh über die für eigene Aktivitäten zur Verfügung stehende Zeit. So konnten wir nicht nur die Universität, sondern auch die Stadt Washington genauer erkunden.

Dieser "Schnupperkurs" an einer amerikanischen Universität hat uns in unserem Wunsch nach einem längeren Auslandsaufenthalt während unseres Studiums bestätigt und uns mit dem notwendigen Selbstvertrauen ausgestattet. Für Organisation und Finanzierung möchten wir uns daher nochmals ausdrücklich bei der Stiftung "Jugend forscht" und dem Bundeskanzleramt bedanken.

 


Text Christoph Müller      Layout Martin Girschick

September - Oktober 1996